Lokführer sein…

Herr über mehr als 10.000 Pferdestärken. Ein Halbzug des ICE3 hat sie. Und wie in Wirklichkeit, so ist auch der Modell-Lokführer ein Traum, der oft geträumt wird.

Das Signallicht an Gleis 2 des Ansbacher Bahnhofs wechselt von rot auf grün. Sekunden später setzt sich der ICE3 in Bewegung, langsam erst, dann immer schneller werdend, Bahnsteig, Weichen und Stellwerk und schließlich Ansbach hinter sich zurücklassend. Gleich hinter der Stadt ist die freie Strecke erreicht. Aus der Sicht des Lokführers gesehen naht die „Steinwiesen- Talbrücke“. Dort vollführt die Trasse einen S- Bogen. Der Blick wird frei auf die MIGA – die Mittelfränkische Gartenschau mit ihren Fleuristik- Attraktionen, einem Freilicht-Kino und dem Kleinod „Pingu- Inn“ (weil die engagierte Landschaftsarchitektin ein Faible für Pinguine hat, die überall aufgestellt sind – erkennbar und nicht gleich erkennbar…). Besuchergruppen schlendern durch das Areal und genießen den Tag. Nach Passieren der (noch nicht gebauten) Blockstelle „Dombach- Aue“ wird Gebirgsland erreicht. Der ICE verschwindet im „Winterscheidt- Kehrtunnel“. Oben drüber findet gerade ein Skispringen statt. Auf der Rücktour hält der Zug am Bahnsteig 1. Danach wird die Fahrt in die andere Richtung angetreten. Nach Passieren der (auch noch nicht gebauten) Blockstelle „Hohe Wart“ erreicht unser ICE3 den „Oberstadt- Kehrtunnel“. Über ihm erkennt man die Ausläufer der Oberstadt mit einem riesigen Einkaufszentrum. Der ICE hält hier nicht, aber die Straßenbahn.

Nach 3 Minuten ist unser Zug wieder in Ansbach. Diesmal hält er an Gleis 4. Die Fahrt ist zu Ende. Oder doch nicht…? Aus Gleis 2 fährt ein langer Güterzug aus. In der Lok sitzt ein anderer Lokführer, der nun die Fahrt erleben darf.

So oder so ähnlich könnte ein Lokführer en miniature die Fahrt über unsere derzeitige Vereinsanlage erleben. Mögen uns der Lokführer wie auch andere Ortskundige auch nachsehen, dass in Ansbach planmäßig keine ICE3 fahren, der Bahnhof gegenüber dem Vorbild an Gleis 6 endet und dass die Blockstelle „Hohe Wart“ ungefähr 120 km weit weg liegt – an der Schnellfahrstrecke Würzburg – Hannover, 20 km nördlich Würzburgs.

Auf den Baufortschritt sind wir stolz, denn die treibende Kraft ist unser Nachwuchs. Da darf die oberbayerische Sprungschanze schon mal neben einem mittelfränkischen Karpfenteich liegen. Wenn wir irgendwann noch ein Modul dazwischenschieben, wird die ganze Szene vielleicht auch realitätsnaher. Vielleicht…

Fast alles entsteht im Selbstbau. Die Landschaft, die Bauten, die Häuser und auch manche Fahrzeuge. Insofern erweitern wir unseren Traum, sind nicht nur Lokführer, sondern auch Konstrukteure, Fahrdienstleiter, Architekten. Die Modelleisenbahn ist fast wie jedes Hobby, aber ganz anders. Unser Weg, Kinder und Jugendliche für das Hobby (Modell-) Bahn zu begeistern und gleichzeitig zu zeigen, dass eine Miniaturbahn sowohl in je­des Zimmer als auch (fast) jeden Geldbeutel passen kann, ist dabei nur eine winzige Facette. Andere Vereine gehen andere Wege, und das ist vollkommen in Ordnung. Mit allen anderen Vereinen zusammen entsteht erst das komplette Bild dieser riesigen, kleinen und verzaubernden Welt Modelleisenbahn.

Mit Fahrbetrieb war die Anlage erstmals beim „Tag der Modellbahn 2013“, stets dicht umlagert, im Brücken-Center Ansbach zu sehen.

Als Spurweite haben wir nach leidenschaftlicher Diskussion TT gewählt.

Warum ausgerechnet TT? Die Spur ist hierzulande nicht weit verbreitet. Das Angebot an Fahrzeugen ist auch nicht üppig. Und begrenzt von den üblichen Spurweiten H0 (Maßstab 1:87) und N (Maßstab 1:160) ist TT irgendwie „zwischendrin“.

Allerdings – warum nicht ausgerechnet TT…? Für unsere nicht sehr umfangreichen Platzverhältnisse ist der Maßstab 1:120 die ideale Mitte zwischen Motivdarstellung und Detail. In Nenngröße H0 hätten wir die 1,00 mal 0,60 m² großen Module um fast die Hälfte größer bauen müssen. Dafür ist unser „Modellbau- Keller“ definitiv zu klein. Spurweite N ist für Kinder nicht ideal zu handhaben. Das „Zwischendrin“ von TT wurde mit einem Male zu dem entscheidenden Vorteil.

Und wir geben es gerne zu: Wir Ansbacher Eisenbahn-Freunde sind auch etwas speziell. Wir wollten etwas bauen, was im Umkreis von 100 km nicht jeder baut. TT eben. Auch wenn die Module ausschließlich einer vereinsinternen Normung folgen.

Dabei blicken wir als Verein auf eine sehr lange Modellbautradition zurück. Sie begann viele Jahre vor dem ersten Hammerschlag für die TT- Vereinsanlage.

Ob es die Nachbildung der Streckenelektrifizierung als H0- Diorama war, oder der Nachbau des Ansbacher Bahnhofsgebäudes anlässlich des 125- jährigen Bestehens der Strecke Wicklesgreuth – Windsbach – die Ansbacher Eisenbahn-Freunde versetzten die Betrachter mit liebevoll detaillierten Darstellungen und einer gelungenen Mischung aus Modell und echten zeitgenössischen Utensilien in die entsprechende Zeit zurück.

Als der Leiter des Löhe-Zeit-Museums in Neuendettelsau, Herr Dr. Rößler, uns 2006 fragte, wie die spezielle Situation der Diakonie aus eisenbahnerischer Sicht dem Interessierten na­hezubringen sei, entstand der Plan, eine Entsendungsszene auf dem damaligen Bahnhof Neuendettelsau nachzubilden. Daraus wurde die Ausstellung „Von Neuendettelsau in die Welt“. Eine Ausstellung, die erfreulich gut besucht war, die überregional sehr gute Kritiken bekam. Aber vor allem: eine Ausstellung, die die Zeit vor 50 – 60 Jahren plötzlich wieder ins Heute rückte. So jedenfalls die (uns sehr wichtige!) Meinung der Zeitzeugen.

Auch das ist eine Facette der kleinen Welt Modellbahn. In der Realität haben Physiker und Quantenforscher noch keinen Weg gefunden, an der Zeit zu „schrauben“. Wir Modellbauer dagegen kennen die Zeitschraube schon lange. Sie zu handhaben erfordert Geduld, gründliche Recherche, kühne Überlegungen, Experten auf fast allen Fachgebieten (aber das sind wir Modelleisenbahner ja sowieso…) und auch eine gesunde Phantasie. Nach allem muß man bei uns nicht lange suchen.

Wer die Ausstellungen in Neuendettelsau oder im Markgrafen- Museum in Ansbach ansehen konnte, wird möglicherweise gestaunt haben, wie viel der Geschichte heute noch lebendig und dank eines Modells darstellbar ist.

Und wer die Anlage der Ansbacher Eisenbahnfreunde betrachtet, wird möglicherweise den Mangel an so manchem ausmachen, aber bestimmt nicht den Mangel an Phantasie.

In diesem Sinne und bei Interesse – kommen Sie an den Modellbau- Freitagen im Monat ab 18.00 Uhr einfach zu uns. Es tut nicht weh – aber ansteckend kann es werden…